Anfang der 1980er-Jahre las ich in der Zeitschrift „Text & Kritik“ ein Interview mit dem Schriftsteller Wolfgang Hildesheimer (1916-1991), in dem es um seinen Roman (!) „Marbot. Eine Biographie“ ging, den er so geschrieben hatte, als habe der von ihm erfundene Protagonist tatsächlich existiert. Wolfgang Hildesheimer sagte in diesem Interview, dazu befragt, Marbot hätte tatsächlich gelebt haben können. Denn im Deutschen beinhalte das Wort „Wirklichkeit“ neben dem Realen auch das Mögliche. (Das, was „wirkt“…)
Ich habe mir das gemerkt, weil ich, was diesen Autor betraf, seinerzeit so unbeleckt gewesen war, den zufällig von mir in einer Bücherei entdeckten „Marbot“ tatsächlich für eine echte Biographie zu halten. – Tja, die Irrtümer, denen man selbst aufgesessen ist, sind wohl die überzeugendsten Lehrmeister.

Inzwischen haben mich auch andere philosophische Themen, wie „Das Sein und das Nichts“, insbesondere aus existenzialistischer Sicht (Jean-Paul Sartre & Co.) begonnen, zu interessieren. – Ich besitze zwar Bücher darüber, auch das berühmte von Sartre, aber mit dem Verständnis dafür hapert es doch einigermaßen – da mir natürlich der akademische Zugang dazu fehlt.
Aber wir sind hier ja auch kein Philosophie-Seminar, daher beschreibe ich mal mit eigenen Worten, worum es mir bei diesem Thema geht:
Was ist eigentlich „das Nichts“? Ich weiß, dass man in der Philosophie folgendes unterscheidet in Bezug darauf:
- Das, was nicht ist, aber möglich wäre.
- Das was nicht ist und auch nicht möglich wäre.
Wenn ich auf die erste Variante schaue und mir Hildesheimers Wirklichkeits-Definition in Erinnerung rufe, dann gehört ja auch das Nichts, das möglich wäre, zur Wirklichkeit! – Ist es nicht das, was wir Utopie im positiven, bzw. Dystopie im negativen Sinne nennen? Hierzu habe ich als „Alltags-Lebenshilfe- Hobbyphilosophin“ immerhin die Einsicht gewonnen:
Dass es nur förderlich für die individuelle und gesellschaftliche Entwicklung sein kann, Utopien immer mit zu denken, wenn wir auf die Wirklichkeit blicken! Wir erweitern mit einem Schlag unser Gesichtsfeld und sind weniger in Gefahr, uns mit Gegebenheiten („Realitäten“), die nicht zufriedenstellend sind, glauben, abfinden zu müssen.
Das was nicht ist und auch nicht möglich wäre: Sich also mit der zweiten Variante des Nichts zu beschäftigen, hilft im Alltag nicht weiter, ist eine rein wissenschaftliche Knobelaufgabe. Hieraus könnte man zum Beispiel die Frage formulieren, ob das, was im strengen Sinne, außerhalb der Wirklichkeit betrachtet, nicht ist, überhaupt vorstellbar ist. Denn alles, was vorstellbar ist, existiert bereits in einer Form… usw.
Viele berühmte Philosophen, aber auch Naturwissenschaftlicher (z. B. Astrophysiker) haben sich schon darüber ausgelassen. Mich interessiert diese Form (oder eben Nichtform!?) des „Nichts“ allerdings weniger als die erste Variante, die mit der Wirklichkeit korreliert.