filofaxi hat geschrieben: Das Streben nach Identität als der Übereinstimmung dessen, was man ist, mit einer Wunschvorstellung davon, was man gerne sein möchte – nämlich reich und mächtig, damit man nicht mehr zum unfreiwilligen Verzicht auf seine Pfründe gezwungen werden kann, wie es als machtloses Kind einmal der Fall war - , ist Etwas, was nicht nur den Deutschen in Ost und West gemeinsam ist, sondern allen Menschen auf der Welt.
@ Filofaxi
Das Streben nach Identität,d.h. eher die Suche danach, erschöpft sich nicht in der Zielsetzung, reich und mächtig sein zu wollen. Reich würde ich eher als materielle Sicherheit ansehen, die natürlich identitätsstiftend insofern ist, dass sich die wechselseitigen sozialen Bezüge dadurch sehr zufriedenstellend gestalten und gestalten lassen. Das aber ist möglich, auch wenn ich nicht REICH bin, und viele Menschen leben es auch so. Sie leben sehr gut damit, denn im gleichen Maße, in dem ein Mensch nicht darauf angewiesen ist, seine Identität aus dem erworbenen Reichtum zu gewinnen, kann er auch darauf verzichten, nach immer mehr Macht zu streben, Macht über andere. Nur Menschen, die beide Zielsetzungen, Macht und Reichtum, nicht zu tragenden Säulen ihrer Identität brauchen, können andere Formen von „Reichtum“leben.
Die Begrenzung der Identität auf eine machtpolitisch vorgegebene Gruppe, wie die einer Nation, welche unter der Herrschaft eines Regenten zustande kam, der als ihr internationales Aushängeschild diente, ist eine künstlich geschaffene, um ihre Mitglieder durch Abgrenzung gegenüber den Bewohnern anderer Länder zusammenzuschweißen, wie es auch bei jeder Kleinstaaterei der Fall ist, bei man jeweils die Anderen als die Schlechten branntmarkt, die angeblich verhindern, dass es Einem selber nicht nur gut, sondern besser geht, als ihnen, um sich gegen deren Ansprüche auf wirtschaftliche Mitversorgung, die mit einer Einschränkung des eigenen Wohlstandes einhergeht, besser verwehren zu können.
Die Begrenzung einer Identität auf eine bestimmte Gruppe, die machtpolitisch vorgeben ist, ist nur scheinbar künstlich geschaffen, vor allem in der heutigen Betrachtung, die die Evolution des Lebens auf der Erde, aber auch die Geschichte des Menschen von ihren Anfängen her außen vor lässt. Allianzen, Verbände, Gruppen, Clans, Stämme, welche Bezeichnung man auch immer wählen mag, beruhen immer auf gemeinsamer Herkunft, Besiedlung des gleichen Raumes, was das „Heimatgefühl“ ausbildet, auf der Wahrung und Verfolgung gemeinsamer Interessen und bilden einen einigermaßen sicheren Hort, in dem es sich leben lässt. Da geht es um den Schutz der Ressourcen, damit die materielle Sicherheit gewährleistet ist, und es geht um den Schutz nach außen, wo immer Begehrlichkeiten , die auch nur projiziert sein können, weil man die eigene Begehrlichkeit auch dem anderen unterstellt, eine Gefahr darstellen. Die Ansprüche von außen auf „Mitversorgung“ , die natürlich bedeutet, dass man teilen muss, was man eigentlich lieber für sich selbst behält, werden als Bedrohung erlebt. Das aber ist genau der Punkt, an dem sich das entfaltet, was uns Menschen von den anderen hochentwickelten Arten unterscheidet, obwohl es auch bei Tieren vereinzelte Beispiele für Solidarität über die eigene Art hinaus gibt.
Dieser auf nationaler Ebene wirksame Sozialismus, der sich international als asozialer Egoismus niederschlägt, stellt die Wurzel aller Deutschen dar, die die Weimarer Republik abgewählt hatten, um sich gemeinsam gegen die Reparationsforderungen der Siegermächte des 1. Weltkrieges zu wehren.
Der Unterschied nach dem verlorenen 2. Weltkrieg, den alle Deutschen als eine narzisstische Kränkung empfanden, weil der ihr von Größenwahn geprägtes Selbstbild von einer weltweit wirtschaftlich und politisch führenden Nation beschädigt hatte, war der, dass die Ostdeutschen von einer Diktatur in die nächste gelangten, bei der sie zum Sozialverhalten den eigenen Landsleuten gegenüber gezwungen wurden, während die Bevormundung der Westdeutschen sich auf das Wiederaufrüstungsverbot beschränkte, wonach schon wenig später verstoßen wurde, indem man behauptete, es sei notwendig, sich gegen die russische Bedrohung wehren zu können.
So war es nicht der Sozialneid, der im Osten die Bewohner dazu trieb, sich gegen die kommunistische Bevormundung aufzulehnen, wo das Gemeinwohl vor dem Wohl des Einzelnen rangierte, sondern die Gier nach Herrschaftsfreiheit, um ihren asozialen Bestrebungen genauso ungehindert nachkommen zu können, wie es ihrer Meinung nach im Westen der Fall war.
Das siehst Du sehr negativ, bzw stellst Du sehr negativ dar. Es scheint so, dass den Menschen das tiefe Bedürfnis nach Freiheit kennzeichnet. Und deshalb würde ich nie den negativ konnotierten Begriff GIER hier verwenden, sondern SEHNSUCHT. Sie kommt von innen. Auch Bevormundung, um dem Gemeinwohl vor dem Einzelwohl Vorrang einzuräumen, ist eine Ausübung von Macht. Ausgewogenheit zwischen Gemeinwohl und Einzelwohl brauchen alle Menschen und ist deshalb politisch immer anzustreben, was ja auch im Wesen der Demokratie als Ziel verankert ist, letztlich aber ein Idealzustand, dem man sich immer nur annähern bzw der immer nur als labiles Gleichgewicht kurzfristig zu erreichen ist, das Zünglein an der Waage neigt sich mal nach der einen, dann nach der anderen Richtung und verharrt gar scheinbar wie festgebacken.
Dass aber auch im Westen nicht Jeder tun und lassen KONNTE, was er hätte können DÜRFEN, wenn er die Macht dazu gehabt hätte, war Denen nicht klar, die noch vor dem Mauerbau „rübermachten“, um auch in den Genuss des Kapitalismus zu gelangen, dem man fälschlicherweise die Ursache eine allgemeinen Wohlstandes zuschrieb, den es gar nicht gab – ähnlich wie Leute aus sogenannten Dritte-Welt-Ländern auch nicht begreifen können, wie teuer das Leben in dem Lande ist, wo scheinbare Milch und Honig fließt, und die Seife so viel besser riecht, als bei ihnen zuhause.
So war es für viele Republikflüchtlinge eine herbe Enttäuschung zu sehen, dass im Westen die sozialen Mechanismen fehlten, die man im Osten mittlerweile für selbstverständlich zu betrachten gelernt hatte. Dafür, dass angeblich ja auch eine ebenso starke Flüchtlingswelle von West nach Ost stattgefunden habe, fehlt jede Begründung, denn gerade Diejenigen reichen Bürgerssöhne die sich für mehr Sozialismus begeisterten, hatten es ja gar nicht nötig, sich in eine Diktatur zu begeben, wo man sie dazu zwang, von ihrem Reichung Etwas abzugeben, um dafür der Sozialleistungen, die sie gar nicht benötigten, teilhaftig zu werden.
Nachdem die Grenzen wieder geöffnet wurden, legte sich bei den meisten Ostdeutschen die Begeisterung über die neue Herrschaftsfreiheit schnell wieder, nachdem die 100 DM Begrüßungsgeld aufgebraucht waren, und sie merkten, wie viel Kampf es kostete, im Westen am Reichtum Derer teilhaben zu können, die – genauso wie sie selber – nicht bereit waren, ihren Besitz mit Anderen zu teilen, sodass die Grenze, die die Bedürftigen und die Nicht-Bedürftigen in zwei Lager teilt, nicht auf einer künstlichen Spaltung beruht, mit der man den Bedürftigen nur eingeredet hat, sie seien bedürftig, obwohl sie es gar nicht sind, um sie gegen Diejenigen aufzuhetzen, die mehr haben, als sie, sondern auf der Tatsache, dass dieses tatsächlich der Fall ist.
Es ist also die „maßlose Gier nach immer mehr, als das, was man gerade besitzt“ - was auch die Rechte auf „Sozialleistungen im Falle der Bedürftigkeit mit einschließt, ohne dabei eine entsprechende Eigenleistung erbringen zu müssen“, was die Reichen, die weniger für ihr Geld arbeiten müssen, als die Armen, in Ost und West genauso zusammenschweißt, sowie die Ärmeren der Neid auf die Reicheren, weil sie niemals in deren Lage kommen, so viele Reichtümer anzuhäufen, um letztlich nur noch ihr Geld, bzw. Andere für sie arbeiten zu lassen.
Dass jeder Bevölkerungsteil dabei den Anderen braucht, um ihn als Ursache allen Übels darstellen zu können, unterscheidet die Zustände innerhalb einer Nation in keiner Weise von den internationalen, wo ganze Völker als Verursacher diskriminiert werden, sodass eine friedliche Koexistenz weder auf nationaler noch auf internationaler Ebene möglich ist, solange keine Notwendigkeit auf Verzicht besteht, der weltweit durch eine gemeinsame Bedrohung aller Menschen gleichermaßen gegeben ist, wie etwa die einer viruellen Pandemie oder der Invasion von Aliens aus dem Weltraum, die dann anstatt der Ossis und Wessis oder der Linken und Rechten als Bösewichter herhalten müssen, um vom eigenen sozialen Versagen abzulenken.