von
Waltheri
»
21.11.2020, 9:29
Liebe Oktobermond,
aus Deinem Beitrag geht nicht hervor, wann Dein Mann starb.
Ich nehme aber an, dass er in der Corona-Zeit starb. Ihr habt es noch schlimmer gehabt als ich, der noch keine Begrenzung der Trauernden und raus gehen konnte und wo die Trauerkreise usw. geöffnet hatten.
Du hast nicht nur Deinen Mann, sondern mit ihm die Vergangenheit, die Gegenwart und die geplante Zukunft verloren.
Dir ist es sicherlich auch so ergangen, dass Du in den ersten 3 Monaten in einem Tunnel, der keinen Ausgang hatte, befunden hast und sonst nur reagiert hast. Es ist sehr wichtig, dass man in dieser Zeit einer Trauergruppe oder Ähnlichem anschließt. Wer dieses nicht macht oder seine Trauer nicht andererseits abbauen kann, der hat auch noch nach 10 Jahren und mehr auf einmal Trauerattacken und Weinkrämpfe. Meine Trauergefährtin habe ich mal gefragt, was sie aufrichten konnte nach dem Tod ihres Mannes.
Ihre Antwort:
"Ich glaube, in den ersten zwei Monaten gab es nichts, was mir geholfen hätte.
Vielleicht wenn jemand zu mir gesagt hätte, dass er weiß, wie schlimm es ist. Und das es für meinen Mann besser ist, nicht mehr leiden zu müssen und das er ein erfülltes Leben gehabt hatte. Dass es noch lange wehtun wird, aber, dass der Schmerz anders werden wird.
Was ich nicht hören wollte, war: Das Leben geht weiter, sei tapfer oder das steht jeden bevor. Also den Schmerz kleinreden.
In der ersten Zeit habe ich oft abends jemanden angerufen und über normale Sachen geredet, um meine Gefühle nicht zu spüren.
Oder ich bin zum Wald-Friedhof gefahren, um andere traurige Menschen zu beobachten, weil ich dann dachte, nicht so allein zu sein.
Auch habe ich sofort, alle Sachen von meinem Mann in Koffern gepackt damit es mich nicht ständig traurig machte, die Sachen zu sehen. Sortiert habe ich diese erst viel später."
Jeder geht auf seine Weise mit dem Tod seines Partners um, das habe ich in den Trauergruppen erkannt. Was dem einen "gut tat", war für den anderen ganz, ganz "schlimm".
Was ich besonders schlimm fand, übrigens auch meine Trauergefährtin, sind die immer wiederkehrenden Vorwürfe, die man sich selber macht und gegen die man nichts machen kann, obwohl einem immer wieder gesagt wird, du hast alles Menschenmögliche getan und dieses auch noch logisch erklärt, es hilft nichts, die Vorwürfe kommen immer und immer wieder. Bei mir, und auch bei den anderen Trauernden, wurden sie nach ca. einem viertel Jahr langsam weniger, bis sie irgendwann ganz aufhörten.
Es hat mir sehr gut getan, als ich mich gefragt habe, ob meine Frau mich so traurig sehen möchte und was ich von ihr erwartet hätte, wenn es umgekehrt gewesen wäre.
Man denkt ja kaum an den Tod, und wenn, dann suggeriert einem das Unterbewusstsein, man würde mit dem Partner zur gleichen Zeit sterben und die Welt ist wieder in Ordnung.
Leider ist es nicht so.
Sehr häufig ist es auch, dass viele nachts Geräusche hören. Oft so, als wenn der Partner die Treppe hochkommt oder Ähnliches und haben dann große Angst. Nach einiger Zeit sagen sich dann die Betroffenen, mein Partner möchte mir doch keine Angst einjagen, ganz im Gegenteil. Danach hören die Geräusche meist auf und wenn sie doch zu hören sind, "erfreut" es einen.
Liebe Oktobermond, ich wünsche Dir für die kommenden Zeit sehr, sehr viel Kraft und suche Dir bitte einen oder mehrere Gesprächspartner der / die auch einen Partner verloren haben.
Wenn man allein zu Hause sitzt, dann denkt man, warum ruft denn keiner an, ich möchte so gern mit jemand über meinen Mann/Frau über dies oder jenes reden. Keine 10 Minuten später denkt man, hoffentlich ruft keiner an. Wenn es einem selber schon so geht, woher sollen es dann die anderen wissen, wie es einem geht und was man im Augenblick möchte.
Jetzt aber zu Deiner Frage, ich bin jetzt allein, habe also nicht Deine Befürchtung, was das Umfeld denkt.
Es ist Dein Leben, liebe Oktobermond.
Was Dir gut tut, ist richtig und wichtig.
Es gibt hier in Norddeutschland einen Spruch, der gut passt:
Do wat du wullt de Lüüd snackt doch.
Du kannst machen, was Du willst, die Leute reden doch über Dich.
Ich bin nach fast 2 Jahren nach dem Tod meiner Frau hier eingestiegen. Mein Profil wird gut besucht, und ich habe schon einige "Lächeln" und Kontaktanfragen bekommen. Aber es ist für mich immer noch sehr schwer, hierauf zu reagieren bzw. häufig möchte ich die ganze Sache abbrechen, obwohl doch mein innigster Wunsch ist, mein restliches Leben nicht alleine zu verbringen. Ich hätte nicht gedacht, dass mich diese Suche so mitnimmt.
Ich weiß nicht, ob ich Dir helfen konnte, aber jetzt weißt Du, wie es anderen geht und was für Probleme sie haben.
Viel Kraft und alles Gute für die Zukunft
Waltheri