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Seit dem Frühjahr 2016 steht das erste Earthship auf deutschem Boden. Eine Besonderheit an diesem Gebäude ist, dass es zum allergrößten Teil aus Zivilisationsmüll errichtet wurde. Darüber hinaus versorgt es seine Bewohner weitgehend autark mit Wärme, Strom, Wasser und sogar Lebensmitteln.
Die Idee stammt aus den USA
Der amerikanische Architekt Michael Reynolds entwickelte den Earthship-Gedanken bereits in den 1970er Jahren in den USA, wo die meisten dieser Gebäude zu finden sind. Es dauerte etwa drei Jahrzehnte, bis die Idee auch in anderen Ländern Anklang fand, nicht zuletzt durch das allgemein wachsende Bewusstsein für Umwelt- und Klimaschutz und für nachhaltiges Bauen.
Ein Haus aus Abfällen
Wie alle der mehr als 1.000 Earthships, die heute existieren, wurde auch das erste deutsche Gebäude dieser Art im Baden-Württembergischen Schloss Tempelhof aus Abfällen und recycelten bzw. upgecycelten Materialien errichtet. Dazu zählen unter anderem ausrangierte Autoreifen, alte Flaschen und Blechdosen, Bruchfliesen aus abgerissenen Häusern und Schaumglas, einem Wärmedämmstoff aus aufgeschäumtem Glas. Außerdem kamen natürliche Baustoffe wie Holz und Lehm zum Zuge.
So autark wie möglich
Die ursprüngliche Idee war, dass sich jedes Earthship autark selbst versorgt. In den USA gibt es diesbezüglich keine Probleme, in Deutschland hingegen stieß die Tempelhofer Gemeinschaft auf Schwierigkeiten. Es bedurfte viel Zeit und langer Verhandlungen, bis schließlich die Baugenehmigung erteilt wurde. Von einem Punkt wichen die Behörden aber nicht ab: Das Haus musste an die öffentliche Wasserversorgung und Kanalisation angeschlossen werden. Denn in Deutschland ist es verboten, Trinkwasser aus Regenwasser zu gewinnen. Letzteres darf in Schloss Tempelhof lediglich für Toiletten oder zur Versorgung der Pflanzen genutzt werden. Ansonsten ist das Earthship autark. Den Strom, der in Batterien zwischengespeichert wird, liefert eine Photovoltaik-Anlage. Geheizt wird passiv mit Solarwärme. Dazu sind in den Wänden etwa 900 Autoreifen verbaut, die mit verdichteter Erde aufgefüllt wurden. Sie speichern die Außenwärme und geben diese über ein Rohrsystem an die Innenräume ab. Die Südseite des Hauses besteht vollständig aus einer Glasfassade, hinter der wie in einem Gewächshaus Gemüse, Obst und Kräuter gedeihen.
Das Earthship als Gemeinschaftshaus
Im Gegensatz zu den meisten Earthships weltweit, die als Einfamilienhaus dienen, wurde das Gebäude in Schloss Tempelhof als Gemeinschaftshaus entworfen und fertiggestellt. Dafür legten die Bewohner des umliegenden Wohnkomplexes selbst Hand an, unterstützt von zahlreichen Freiwilligen aus verschiedenen Ländern.In Amerika stehen die Earthships meist in sonnenverwöhnten Gegenden. Deshalb war es nicht sicher, ob das Konzept auch in Deutschland funktioniert. Um das herauszufinden, wurde das Projekt im Zuge einer Masterarbeit von einem Architekten in Zusammenarbeit mit dem Fraunhofer Institut wissenschaftlich begleitet. Die Ergebnisse sind bisher positiv ausgefallen, sowohl was die Leistung der "Autoreifen-Heizung" betrifft als auch das Problem der Luftfeuchtigkeit. Die 25 Bewohner jedenfalls sind rundum zufrieden und fühlen sich wohl - und das zu Baukosten von 300.000 Euro, also günstigen 12.000 Euro pro Person.
Das Earthship – ein Haus mit Zukunft in Deutschland?
In ländlichen Gegenden könnten Earthships durchaus eine sinnvolle Alternative zu herkömmlichen Wohnhäusern werden, wenn sie entsprechend an die klimatischen Bedingungen angepasst sind. Derzeit läuft bereits ein zweites Projekt in Mecklenburg-Vorpommern. Es bleibt allerdings weiterhin schwierig, eine Baugenehmigung zu bekommen. Und - wie oben beschrieben - eine autarke Wasserversorgung und Abwasserbeseitigung wird in Deutschland in absehbarer Zeit nicht genehmigt werden.
Foto: © franzeldr/fotolia.de
Redaktion, 26.10.2017