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Es gibt vielfältige Gründe, das eigene Geschlecht nicht eindeutig festzulegen. Die Ursachen können biologischer oder subjektiver Art sein. Manche Menschen lassen sich in medizinischer Hinsicht keinem eindeutigen Geschlecht zuordnen, andere möchten es aus Gründen ihrer persönlich empfundenen Geschlechtsidentität nicht.
Der sprachliche Umgang mit Zuordnungen konstruiert die Wirklichkeit und die Wahrnehmung einer Gesellschaft. Ein differenzierter und akzeptierender Umgang mit Sprache und ihren Definitionen ermöglicht nicht nur ein Verständnis für Kategorien, sondern in erster Linie für die Menschen, die davon betroffen sind.
Intersexualität: zwischen den Geschlechtern
Der Begriff Intersexualität (medizinisch: zwischen den Geschlechtern) beschreibt zunächst eine international anerkannte Krankheit, die zu den sogenannten Sexualdifferenzierungsstörungen zählt. Gemeint ist damit die nicht mögliche Zuordnung des Geschlechtes zu den Kategorien weiblich oder männlich.
Die Ursachen für die Intersexualität können genetischer, hormoneller oder auch anatomischer Natur sein. Für eine eindeutige Feststellung reicht eine rein körperliche Untersuchung in der Regel nicht aus. Erst eine Chromosomenanalyse kann eindeutig Auskunft geben.
Intersexualität war lange Zeit auch als Hermaphroditismus oder Zwittertum bekannt, um die Zweigeschlechtlichkeit hervorzuheben. Diese Begriffe gelten heute als diskriminierend und werden nur noch selten verwendet.
Viele Betroffene empfinden den Ausdruck Intersexualität ebenfalls als wenig hilfreich, da er eine rein medizinische Definition darstellt und darüber hinaus einem Störungsbild zugeordnet ist. Diese Pathologisierung wird dem Selbstempfinden der Menschen nicht gerecht, was zu weiteren Bezeichnungen führt, die unterschiedlich akzeptiert werden.
Häufig findet sich die Formulierung "intersexuelle Menschen", "intergeschlechtliche Menschen" oder auch "drittes Geschlecht" im Sinne einer sozialen Kategorie. So unterschiedlich, wie die Gründe der betroffenen Menschen für ihr Erleben sind, zeigen sich auch die Herangehensweisen an die Bezeichnungen. Nicht alle finden sich in den aktuellen Begriffen wieder, was zu einem fortdauernden Diskurs um hilfreiche Begriffe für das eigene Geschlechtserleben führt.
Das dritte Geschlecht in der Sprache
Der Begriff des dritten Geschlechts ist eine Wortschöpfung, deren Ursprung (1899) auf einen Roman des Autors Ernst von Wolzogen über einen bisexuellen Menschen zurückgeht. Auch andere Gesellschaften kennen ein drittes Geschlecht, wobei die Bezeichnung jeweils sehr verschiedene Bedeutungen aufweist und keinen eindeutigen Bezug auf einen intersexuellen Menschen erlaubt.
In Deutschland wird der kontrovers diskutierte Begriff für Menschen verwendet, deren biologisches Geschlecht nicht eindeutig bestimmt werden kann. Ein sogenanntes drittes Geschlechtsmerkmal ist Teil des Personenstandsgesetzes und kann bei unklarem biologischen Geschlecht ins Geburtenregister eingetragen werden. Im Falle einer späteren Klärung der Geschlechtsidentität lässt sich der Eintrag ändern.
Das dritte Geschlecht wird als Bezeichnung auch vielfach von Menschen verwendet, die zwar in biologischer Hinsicht eindeutig einem Geschlecht zugeordnet werden können, sich jedoch dem anderen Geschlecht zugehörig fühlen. Diese transsexuellen beziehungsweise transidenten Menschen werden ebenfalls mit den herkömmlichen biologischen Kategorien nur unzulässig abgebildet. Auch Menschen, die sich nicht festlegen möchten und zwischen den Geschlechtern wechseln, kommen in den herkömmlichen sprachlichen Bezeichnungen nicht vor.
Sprachliche Vereinfachung
Zahlreiche Verbände fordern seit Jahren eine geschlechtsneutrale Bezeichnung, die anstelle der Zuordnungen "er" oder "sie" verwendet werden kann. In verschiedenen Ländern werden immer wieder unterschiedliche Wörter ausprobiert, von denen sich die meisten bislang nicht durchsetzen konnten.
Einige Begriffe haben jedoch Eingang in den allgemeinen Sprachgebrauch gefunden, obwohl sie zum gegenwärtigen Zeitpunkt noch nicht umfassend verwendet werden.
Die Schweden gelten als Vorreiter. Sie haben das geschlechtsneutrale Pronomen "hen" erschaffen und es auch bereits in das offizielle Wörterbuch übernommen. Es kann gleichberechtigt neben "han" (er) und "hon" (sie) verwendet werden.
Im englischen Sprachraum wird häufiger die Bezeichnung "Mx." als neutrale Option zwischen "Mr." und "Mrs." verwendet. In den USA setzt sich der Begriff "they" zunehmend durch, wird jedoch vorwiegend im Transgender-Bereich verwendet.
Das Bemühen um geeignete Begriffe ist noch lange nicht abgeschlossen. Der Diskurs ist jedoch immens wichtig, weil er einen respektvollen Umgang mit dem Selbsterleben und dem Identitätsgefühl von Menschen abbildet. Relevant ist hierbei vor allem zu berücksichtigen, wie Betroffene selbst angesprochen werden möchten.
Foto: © Karen Roach/fotolia.de
Redaktion, 02.03.2017