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Mehr US-Einfluss in Europa? Das TTIP-Abkommen zwischen den USA und Europa

Mehr US-Einfluss in Europa? Das TTIP-Abkommen zwischen den USA und Europa

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Es ist gerade einmal ein halbes Jahr her, da hat der Whistleblower Edward Snowden umfangreiche Informationen über die Arbeit der amerikanischen Geheimdienste in Europa veröffentlicht. Das transatlantische Verhältnis zwischen der EU und den USA scheint dies aber weniger belastet zu haben, als man annehmen würde. Das beste Beispiel für diese Tatsache sind die immer noch andauernden Verhandlungen für den Freihandel zwischen Amerika und Europa. Die mangelnde Aufmerksamkeit der Öffentlichkeit und der Medien bei diesem Thema ist verwunderlich - ein ausgearbeiteter Vertrag könnte die EU essentiell verändern.

 

Im Herbst 2014 soll der Freihandelsabkommen zwischen Europa und den USA ausgehandelt sein

Momentan mag die Zusammenarbeit mit den Vereinigten Staaten zwar auf diplomatischer Ebene die Normalität sein, zwischen EU und den Staaten ist in wirtschaftlicher Hinsicht aber kaum etwas auf einer Linie. Das liegt auch daran, dass es immer noch Beschränkungen bei der Ein- und Ausfuhr gibt und viele Regularien sich auf den Märkten der anderen Seite nicht anwenden lassen. Das TTIP-Abkommen soll genau diese Hürden nun aufweichen oder sogar gänzlich entfernen. Als Ziel wird eine Freihandelszone definiert, in der die EU und die USA mehr Freiheiten haben. Was auf den ersten Blick, vor allem im Angesicht der sowieso schon engen Zusammenarbeit, wie ein sinnvolles Vorhaben klingt, hat aber mehr als einen Haken. Darum wird auch intensiv um die Zustimmung der Medien und der Bürger geworben. Die folgenden Argumente werden von der Seite der Befürworter immer wieder aufgezeigt:

  • - Laut einer Studie der Bertelsmann-Stiftung sind bis zu 160.000 neue Arbeitsplätze alleine durch das Abkommen möglich.
  • - Eine Steigerung der Leistung der Wirtschaft um bis zu 0,5% pro Jahr in der gesamten EU wird prognostiziert.
  • - Auch die Löhne sollen nach aktuellen Studien steigen.

An sich sind diese Argumente natürlich vorteilhaft. Aber schon jetzt, wenn das Thema einmal von den Medien aufgegriffen wird, wird auch von den Nachteilen berichtet. Horrorszenarien von undeklariertem Genfood, eine Senkung der Qualität beim Essen und andere amerikanische Besonderheiten sind nur ein paar Punkte, vor denen sich besorgte Bürger fürchten. Ein Blick auf die Inhalte des geplanten Abkommens zeigt aber deutlich, dass die größte Gefahren durch TTIP ganz woanders liegen.

 

Stärkung der Industrie und der Lobby in der EU

Schon jetzt sieht sich die EU mit Vorwürfen konfrontiert, die Lobby der Branchen hätte zu viel Einfluss auf die Gesetzgebung in Europa. Allerdings ist die Situation mit Amerika nicht zu vergleichen. In den USA sind nicht nur die Regularien für die Einführung von Produkten auf den Markt deutlich industrie-freundlicher, auch die Lobbyisten haben traditionell einen hohen Einfluss in Washington. Erste Eindrücke über die Arbeiten an den Abkommen zeigen auch jetzt schon, dass dies in der EU zur Normalität werden könnte. Besondere Gefahr geht von einem Passus in dem Abkommen aus, das eine Absprache bei neuen Gesetzen auf der EU-Ebene vorsieht. Möchte man in der EU nach dem Abkommen etwas regulieren, hätten die Amerikaner ein Veto-Recht. Durch den Einfluss der Industrie in den USA könnte dies dazu führen, dass wichtige Gesetze zum Schutz der Verbraucher und Bürger daran scheitern, dass die Amerikaner es ablehnen. Im Umkehrschluss wäre es Konzernen sogar möglich, Länder zu verklagen, wenn sie durch ihre Gesetzgebung auf den Märkten der EU Nachteile haben. Die genauen Folgen sind absolut unklar und lassen viele Gedankenspiele zu, die nicht nur für den Bürger teuer werden, sondern das gesamte Konstrukt der Wirtschaft auf dem Kontinent ändern.

 

Mangelnde Präsenz in den Medien und erste Kritik

Ein großes Problem mit TTIP ist damit verbunden, dass die Medien das Thema bisher kaum aufgreifen. Das mag auch daran liegen, dass bisher nur wenige Inhalte aus dem geplanten Abkommen klar sind. Spätestens seit den Enthüllungen über die NSA, den Verdacht der Wirtschaftsspionage und der Klarheit, dass absolut alles in Europa abgehört wird, gibt es aber kritische Stimmen. TTIP gibt nicht nur der Wirtschaft und der Industrie mehr Einfluss in der EU - auch für die Politik wird es noch einfacher, sich direkt in die inneren Belange von Europa einzumischen. Mit dem Abkommen könnte im schlimmsten Fall ein wichtiger Bestandteil der Souveränität aufgegeben und an Lobbyisten abgegeben werden. Daher sind erste kritische Stimmen zwar vorhanden, bisher sind sich aber nur wenige Bürger darüber bewusst, wie sehr Europa hier mit seinen eigenen Werten spielt.

 

Foto: © pixs:sell - Fotolia.com

Redaktion, 09.01.2014