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Die gute Nachricht gleich vorneweg: Das Gesundheitssystem der Schweiz bekommt immer wieder gute Zeugnisse ausgestellt, auch wegen des hohen Leistungsniveaus. Die Kehrseite der Medaille sind allerdings die damit verbundenen Kosten. «Qualität hat ihren Preis», aber genau dieser Preis bereitet Versicherern wie Versicherten zunehmend Sorgen. Stellt sich die Frage, wie ein (kosten-)effizienteres Gesundheitssystem der Zukunft aussehen könnte.
Die Fakten: Steigende Prämien, steigende Ausgaben
Die Zahlen für das bevorstehende Jahr sind bekannt und nur bedingt eine Überraschung. Die Prämien für die Krankenversicherung steigen 2017 um weitere 4,5 Prozent an. Das betrifft – aus Versichertenperspektive bedauerlicherweise, auch genau die Tarifmodelle – also beispielsweise das Hausarzt- und das Telmed-Modell –, die eigentlich dabei helfen sollten, die Ausgaben für die Versicherung zu senken.
Beschwerden über die nächste Kostenerhöhung bleiben bislang aber aus, denn die Versicherungsnehmer haben eine vergleichsweise einfache Möglichkeit, die wieder auszugleichen: durch höhere Franchises. Die Obergrenze hierfür liegt noch bei CHF 2‘500 Franken, in Zukunft wird sie möglicherweise aber sogar noch erhöht. Das sorgt im Augenblick vielleicht für etwas Entspannung im Geldbeutel, eine langfristige Lösung ist das jedoch nur bedingt. Eine dauerhafte Alternative mit verschiedenen Möglichkeiten einer Kostenermässigung wäre das Managed-Care-System gewesen, bei dem die Prämien durch einen festgelegten Hausarzt oder der telefonischen Beratung vor dem Arztbesuch niedriger liegen. Allerdings wurde das bisher vom Grossteil der Bevölkerung abgelehnt.
Umgekehrt kann das Senken der Prämien aber zu einem regelrechten Bumerang werden, spätestens beim Eintritt eines Krankheitsfalles. Selbst wenn die Kostenbeteiligungen für die Versicherten in den vergangenen Jahren im Durchschnitt noch überschaubar waren, verbirgt sich dahinter trotz allem noch das Risiko sehr viel höherer Ausgaben. Am ehesten profitieren von einer niedrigeren Prämie bei einer gleichzeitig höheren Franchise noch diejenigen, die gesund sind – was natürlich keine Garantie dafür ist, auch in Zukunft von Krankheiten oder Unfällen verschont zu bleiben. Laut Krankenkassenexperte Felix Schneuwly, sollten die Krankenkassen aber ohnehin nur noch für «teure und ausserordentliche Ereignisse» aufkommen. In allen anderen «Bagatellfällen» müssten die Versicherten dann immer für die entstehenden Kosten aufkommen.
Die Ursachen für die hohen Kosten des Gesundheitssystems als solchem liegen aber gar nicht bei den Versicherten, auch wenn die sie am Ende ausbaden müssen. Das Problem sieht der Gesundheitsökonom Heinz Locher vorab in einem Mangel an Transparenz innerhalb des Gesundheitswesens. Seiner Ansicht nach entstehen die Mehrkosten dadurch, dass Leistungen – von Ärzten und Spitälern – nicht nachvollziehbar sind. Weil häufig genug nicht nach Bedarf, sondern nach Intensität behandelt und kassiert wird.
Die Spitäler für sich genommen sind ebenfalls Thema widersprüchlicher Ansichten: Sie verursachen Versicherern wie Versicherten erhebliche Kosten, Schliessungen kommen für die Bevölkerung trotzdem nicht in Frage. Keinen Widerspruch gibt es immerhin hinsichtlich der Bedeutung der Qualität der Spitäler. Es ist allerdings fraglich, ob der Wunsch nach Leistungsausweisen tatsächlich zu einer Verbesserung führt.
Die Zukunft bringt mehr Belastungen
Ein weiteres Problemfeld, mit dem sich vor allem die Krankenkassen auseinandersetzen müssen: Die anstehenden demografischen Veränderungen, sprich: das Älterwerden der geburtenstarken «Babyboomer-Jahrgänge» kann sich langfristig als Mehrbelastung erweisen. Immerhin werden die Themen Pflege und altersbedingte Krankheiten in Zukunft in einem sehr viel grösseren Umfang relevant sein – schlichtweg weil es mehr Betroffene geben wird.
Dass eine solche Situation überhaupt zu befürchten steht, liegt an zwei Faktoren, die sich schon jetzt bemerkbar machen: Denn der allgemeine Wohlstand und der technologische Fortschritt ermöglichen ein längeres Leben. Was eigentlich eine positive Entwicklung ist, kann aber für die Krankenkassen problematisch werden. Denn es bedeutet immer länger immer teurere Behandlungen zahlen zu müssen – und das für immer mehr Menschen. Was wiederum bei den Versicherern die Befürchtungen von Mehrkosten in Milliardenhöhe aufkommen lässt, während für sie die Aussichten auf eine schnelle Senkung der Ausgaben vergleichsweise gering sind.
Die richtigen Hebel?
Langfristig werden Massnahmen für ein effizienteres Gesundheitswesen jedoch nicht zu vermeiden sein. Das System ist allerdings recht komplex, was tiefe Einschnitte wenn schon nicht verhindert, so doch erschwert. Veränderungen können daher bestenfalls in kleinen Schritten herbeigeführt werden. Genügend Ansatzpunkte dafür gibt es aber in jedem Fall.
Das Gesundheitswesen krankt zum Beispiel an einigen strukturellen Problemen. Es kann etwa kaum als effizient bezeichnet werden, dass die Krankenkassen durch mehrere Behörden gleichzeitig kontrolliert werden. Ausserdem fällt es derzeit noch schwer, kosteneffiziente Modelle mit Zukunftspotenzial – worunter etwa der ganze Bereich des E-Health fällt – einzuführen. Denn dazu müsste die Politik erst die notwendigen gesetzlichen Grundlagen schaffen.
Bis es zu weitreichenderen Reformen des Gesundheitswesens kommt, könnten zumindest junge Familien von gezielten Prämienentlastungen profitieren. Das wiederum bedeutet für die Generation 50plus allerdings unter Umständen noch einmal steigende Kosten.
Bild: (c) weyo / fotolia.com
Redaktion, 15.11.2016