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Wir leben in einer Zeit der polarisierenden Superlative, bekommen über die unterschiedlichen und vor allem unzähligen Medienkanäle alle schlechten Nachrichten dieser Welt mit – aber eben auch „alles Tolle“. So bleibt die gesunde Mitte etwas auf der Strecke. Zumal eine gewisse Schwarz-Weiß-Denke noch befeuert wird durch den Verkaufsdruck, dem Medienhäuser unterliegen. Deren Schlagzeilen sind häufig entsprechend reißerisch formuliert. Zudem sind wir durch unsere Leistungsgesellschaft geprägt. All das hat natürlich auch Einfluss auf die Partnersuche: Beim Kennenlernen einer potenziellen neuen Liebe stehen wir uns mit überhöhten Ansprüchen oft selbst im Weg. Erst recht in der zweiten Lebenshälfte, wenn mit der gewachsenen Erfahrung die Anzahl der verschiedenen Erwartungen ebenfalls steigt. Ein Plus an Weisheit hilft, um der Liebe Raum zu geben.
Vergleiche sein lassen
Für Menschen auf der Suche könnte es klug sein, den Medienkonsum herunterzufahren. Ständig drängen Werbebotschaften in unser Unterbewusstsein. Und dort wimmelt es von „perfekten“ Models. Weiterhin wird in Radio, Fernsehen, TV und Internet sowie in Printprodukten von unterschiedlichen Stars berichtet. So können sich sowohl Gefühle von einer gewissen eigenen Minderwertigkeit in die Gedanken schleichen, als auch überhöhte Ansprüche an das Gegenüber. Beim Näherkommen wird das unbewusst kommuniziert und damit die positive Entwicklung einer Beziehung blockiert. Einer von beiden tritt schließlich den Rückzug an. Etwa, weil man sich selbst abwertet oder die ersehnte neue Liebe mit Anforderungen überfrachtet, die die Stars aus den Medien – mit denen man den gewünschten Partner unbewusst vergleicht – vermeintlich erfüllen.
Authentizität statt Marktwert-Erhöhung
Das Thema Bewertung finden wir sogar in einschlägigen Medien wieder, die sich mit Partnerschaft befassen. Mitunter werden dort Ratschläge gegeben, wie sich der eigene Wert auf dem Partnermarkt erhöhen lässt. Das klingt eher nach Wirtschaft und Ware als nach wahrer Liebe. Jeder Mensch ist doch wertvoll. Die in Mode gekommene „Selbstoptimierung in allen Lebensbereichen“ könnte einem den Weg beim Kennenlernen anderer Menschen eher verbauen als ebnen. Authentizität hingegen mag vereinzelt potenzielle Partner verschrecken, sie erspart aber auch Irrwege. Wenn ein Partner Luftschlösser baut, der schöne Schein früher oder später aber letztlich auffliegt – und das wird er –, ist der andere sicherlich enttäuscht und nimmt verletzt und verärgert nach dem Motto „die Zeit hätte ich mir sparen können“ Reißaus. Die Sehnsucht nach einer Traum-Beziehung wird für beide Seiten nicht erfüllt.
Bodenständigkeit üben
Jeder von uns träumt gern von Schmetterlingen im Bauch – wobei ein Zuviel in dieser allzu romantischen Richtung auch als kitschig empfunden werden kann. Ebenso, wie ein starker Pragmatismus ebenfalls zu viel sein kann. Wir sind alle einzigartig. Und wer sich in der zweiten Lebenshälfte befindet und auf Partnersuche ist, der hat einiges erlebt und bestimmte Vorstellungen. Das ist nicht per se schlecht. Doch unrealistische Erwartungen, die aus genannten Gründen oft Menschen in den besten Jahren haben, sorgen logischerweise meist für Enttäuschungen. Die hat man nach einer Scheidung doch gerade erst erlebt. Oder gar durch den Verlust eines geliebten Menschen noch ganz andere Gefühle durchlitten. Also warum nicht ein wenig Bodenständigkeit einüben? Das muss nicht gleich bedeuten, festgefahren zu sein – aber freizudrehen hilft nicht, wenn eine ernsthafte und dauerhaft zufriedenstellende Beziehung gewünscht wird.
Gute Kompromisse finden
Bei einer potenziellen neuen Liebe neigen wir Menschen dazu, unsere Gewohnheiten anzupassen. Wohl ahnend, dass manches sonst schräg beim Gegenüber ankommt. Dabei sind „Ecken und Kanten“ beliebt. Und. Neben faulen Kompromissen gibt es auch gute. Wer beispielsweise zwei Jahrzehnte und länger verheiratet war, und jetzt auf neuen Liebespfaden wandeln mag, ist oftmals besorgt, schrullig geworden zu sein. Zumindest in den Augen der oder des „Neuen“. In der Tat schleifen sich bei vielen Menschen in einer Paarbeziehung Gewohnheiten ein, was Mahlzeiten, Haushaltsführung, Freizeitbeschäftigungen, den Sex oder Alltagsabläufe angeht. Wer mag, kann sich öffnen, sich mal auf eine andere Art einlassen. Ein kluger Kompromiss kann aber auch sein, sich und die neue Liebe so sein zu lassen, wie sie ist.Warum sollte man von einem Menschen, der seit über 50 Jahren auf der Welt ist, und der vielleicht schon lange Zeit verheiratet war, erwarten, dass dieser Mensch hundertprozentig zu einem passt? Oft hat der andere abweichende Essgewohnheiten, setzt andere Maßstäbe im Haushalt, macht in der Freizeit gerne Dinge, die mich selbst langweilen und lebt einen Alltag, der in vielen Punkten kaum zu meinen passt. Womöglich sieht die potenzielle neue Liebe gar nicht aus wie ein Star und ist nicht mehr so fit wie in seinen Zwanzigern.
Was wirklich wichtig ist
Aber vielleicht ist dieser Mensch authentisch, hat liebenswürdige Ecken und Kanten, ist zuverlässig, mit sich im Reinen – und liebt aufrichtig. Denn nur wer sich selbst liebt – ohne dass damit ein ausgearteter Egoismus gemeint ist – kann andere selbstlos lieben. Das ist wohl der wichtigste Tipp: Lieben Sie sich selbst, wie Sie sind. Seien Sie gut zu sich, auch mal nachsichtig. Dann gelingt es womöglich auch, so mit anderen umzugehen. Dann wird Liebe nicht mehr von unrealistischen Erwartungen verhindert, sondern blüht in Weisheit auf.
Foto: Bild von Gerd Altmann /Pixabay.com
Redaktion, 24.06.2021