1 | 1192 Aufrufe
Die erste Liebesbeziehung zählt zweifellos zu den intensivsten Erfahrungen des Lebens. Sie spielt sich meist während der Jugend ab, einer Zeit, die als „Alter der Möglichkeiten“ und der ersten großen Entdeckungen gilt – und trifft daher oft wie ein emotionaler Tsunami. Die erste Liebe hinterlässt fast immer lebenslange Spuren und wird im Laufe der Zeit zu einem wichtigen Bezugspunkt. Wodurch zeichnet sie sich aus? Und warum hinterlässt sie so unauslöschliche Eindrücke? Mit zunehmendem Alter begeben sich viele sogar wieder auf die Suche nach ihr.
Die Entdeckung der Liebe: Besonders intensive Gefühle
Die Jugend ist für viele die Zeit der ersten tiefen Erlebnisse außerhalb des Schutzes der Familie. Wenn bislang unbekannte romantische Empfindungen entstehen – Herzklopfen, feuchte Hände, Schmetterlinge im Bauch, gerötete Wangen – ist das wie eine Naturgewalt. Was das Gefühl so mächtig macht, ist die Neuartigkeit, gepaart mit der Spontaneität und Impulsivität der Adoleszenz. Meist bleibt diese erste Beziehung nicht rein platonisch, sondern ist auch der Einstieg in die Sexualität – eine Erfahrung, die besonders verschmelzend und prägend sein kann.
In dieser Phase leben viele noch eine sehr romantische Vorstellung von Liebe und Paarbeziehung, betrachten die Verbindung fast als Schicksal – nicht als das Ergebnis stetiger Entwicklung und gemeinsamer Anstrengung, wie man es häufig später sieht. „Die erste Liebe ist meist von einer großen Unschuld und Begeisterung geprägt, eine Zeit, in der wir glauben, dass alles möglich ist“, erklärt der deutsche Paarpsychologe Wolfgang Krüger.
Eine Geschichte, die Spuren hinterlässt!
Eine Studie der Harvard University über die kognitive Entwicklung des Menschen zeigte, dass das emotionale Gedächtnis zwischen dem 15. und 26. Lebensjahr am stärksten ausgeprägt ist. Alles, was wir in diesen Jahren erleben – zum Guten wie zum Schlechten – prägt uns daher tief und nachhaltig. Es ist also kein Wunder, dass wir uns meist ein Leben lang an die erste romantische Erfahrung erinnern!
Unsere erste Liebe legt viele Grundlagen: Sie ist eine Schule für all die emotionalen Herausforderungen einer Beziehung – Geduld, Nachsicht, das Setzen von Grenzen, der Umgang mit Eifersucht oder Kränkung. Durch diese Erfahrung entwickeln wir emotionale Muster, die künftige Partnerschaften beeinflussen: Was akzeptieren wir, was nicht? Wie wollen wir behandelt werden? Wer sind wir überhaupt als Partner?
Hinzu kommt: In dieser Phase befindet sich die Persönlichkeit im Wandel und Aufbau. Die erste Liebe gibt Orientierung, Selbstbestätigung und bietet zugleich die Gelegenheit, sich abzugrenzen und eigene Bedürfnisse kennenzulernen – ein zentrales Thema der Identitätsfindung, wie viele Psychologen bestätigen.
Der französische Psychoanalytiker Jean-Michel Hirt beschreibt es so: „Die erste Liebe prägt unseren emotionalen Kompass. Sie schreibt sich tief in unser Gedächtnis ein und bleibt unser Bezugspunkt für alle folgenden Beziehungen.“
Mit dem ersten Liebespartner wieder Kontakt aufnehmen – eine gute Idee?
Es ist auffällig, wie oft Menschen noch Jahre später an ihre erste Liebe denken. Laut einer britischen Studie, die für den Film „The Best of Me“ durchgeführt wurde, erinnern sich sechs von zehn Erwachsenen regelmäßig an ihren ersten Partner, vier von zehn haben sogar noch Gefühle für diese Person.
Mit zunehmendem Alter macht sich viele auf die Suche danach. Das wird heute dank sozialer Netzwerke und digitaler Recherche leichter denn je. Besonders in Umbruchzeiten, wenn das Leben unsicher erscheint oder die Realität enttäuscht, sehnen wir uns nach diesem unbeschwerten Lebensabschnitt zurück – in der Hoffnung, ihn wieder aufleben lassen zu können. Viele erleben dabei eine Mischung aus Nostalgie, der Sehnsucht nach dem Gefühl von damals und manchmal auch Angst vor neuen Begegnungen. Gerade dann, wenn man das Gefühl hat, etwas sei „nicht zu Ende erzählt“.
Die Paartherapeutin Catherine Serrurier erklärt: „Vor allem Frauen verspüren mit den Jahren einen wachsenden Drang, den Zauber ihrer ersten Liebe wiederzubeleben. Nach Jahren in unterschiedlichen Rollen – als Mutter, Ehefrau, Berufstätige – wächst die Sehnsucht, sich in eine leichtere, träumerische Zeit zurückzuversetzen. Diese Rückbesinnung ist weniger eine Flucht, sondern vielmehr der Wunsch nach emotionaler Bestätigung und einem Moment der Distanz zur oft fordernden Realität.“
Erfahrungsberichte zeigen allerdings: Die tatsächliche Wiederbegegnung ist meist ernüchternd. Denn idealisieren wir nicht unsere Erinnerungen? Die Psychotherapeutin Eva Jaeggi warnt: „Die Vergangenheit erscheint uns oft schöner, als sie war – Versuche, diese Gefühle neu zu entfachen, enden regelmäßig in Enttäuschung.“ Doch auch ein gescheiterter Neuanfang kann etwas Gutes bewirken: Vielleicht lernen wir so, die Gegenwart mehr zu schätzen und uns für echte, neue Begegnungen zu öffnen.
Foto: © michaeljung / stock.adobe.com
Redaktion, 31.07.2025