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Der Zwang, etwas kaufen zu müssen, ist gar nicht unbedingt auf den ersten Blick ersichtlich. Weder für den Betroffenen selbst als auch für Angehörige und Freunde. Das ständige Wiederholen von Kaufhandlungen erfolgt meist schleichend. Erst wird nur dann eingekauft, wenn der Betroffene sich aus irgendeinem Grund nicht gut fühlt. Vermeidlich schöne Dinge werden gekauft, damit sich ein Hochgefühl einstellt.
Wenn dieses Gefühl aber schon an der Kasse wieder verflogen ist und die Sachen gar nicht genutzt werden, dann liegt mit hoher Wahrscheinlichkeit Kaufsucht vor. Vor allem unausgepackte Dinge deuten sehr stark darauf hin. Häufig werden die gekauften Dinge sogar weggeschmissen, um keinen Verdacht zu erregen.
Was passiert mit einem Kaufsüchtigen?
Es ist tatsächlich so, dass der Kaufzwang mit Kontrollverlust begleitet wird. Wer versucht, nichts zu kaufen, leidet unter Schweißausbrüchen, Depressionen oder Unruhe. Dies sind Anzeichen eines Entzuges und diese sollten wirklich ernst genommen werden. Wer keine Hilfe sucht, bekommt schnell Geldprobleme, die nicht selten in hohen Schulden und sogar Privatinsolvenz münden. Dadurch werden Partnerschaft und Arbeitsplatz gefährdet. Das zwanghafte Kaufen ist alles, was den Süchtigen noch interessiert. Anfangs fühlt der Betroffene sich besser, doch nach und nach kommen immer mehr Schuldgefühle hinzu. Gerade Frauen, deren Kinder das elterliche Heim verlassen haben, versuchen die entstandene Leere mit Kaufen zu füllen. Häufig liegt die Ursache in der Kindheit. Ein Mangel an elterlicher Liebe und Anerkennung sowie fehlende Geborgenheit führte dazu, dass sie gelernt haben, sich selbst nicht wichtig zu nehmen. Häufig haben solche Menschen anstelle von Zuneigung ein Spielzeug oder Süßigkeiten erhalten und diese Art von Aufmerksamkeit als Hochgefühl abgespeichert. Auch Menschen, die in der Kindheit ständig materielle Not gelitten haben, können dadurch später einem Kaufzwang erliegen.
Das Kaufen im Übermaß ist im Erwachsenenalter also häufig nichts anderes, als der Wunsch nach Anerkennung und Zuwendung. Wer unter Kaufzwang leidet, hat nie gelernt, sich mit Problemen auseinanderzusetzen. Frauen leben diese Frustration häufig mit Käufen wie Mode, Make-up oder Schmuck aus, um sich etwas vermeidlich Gutes zu tun. Die quälende innere Leere wird kurzfristig durch den Kauf ausgeblendet. Männer kaufen eher technische Dinge, wie Computerartikel oder Werkzeug, um dieses Gefühl zu erreichen.
Wie erkennt man als Außenstehender einen Kaufsüchtigen?
Generell fangen Kaufsüchtige an, ihr Kaufverhalten zu verheimlichen. Wer häufig lügt, um seine gekauften Dinge vor anderen zu verheimlichen oder seltsame Rechtfertigungen abgibt, ist vermutlich kaufsüchtig. Vor allem Abrechnungen von Kreditkarten und Bankkonten geben sehr schnell Aufschluss über ein übertriebenes Kaufverhalten. Wer ständig unnötige Dinge kauft, die dann kaum genutzt werden und dafür Schulden macht, ist sicherlich ebenfalls dem Kaufzwang erlegen. Auch wer plötzlich anfängt, ständig Dinge zu verschenken, kann kaufsüchtig sein. Denn viele Betroffene versuchen so, ihren Zwang zu tarnen. Häufig werden sie aggressiv, wenn man sie auf den erhöhten Konsum anspricht. Ausreden, dass es Sonderangebote waren, sind besonders häufig zu finden. Aber auch der Hinweis, dass man selbst verdientes Geld ausgibt, ist ein beliebtes Argument. Wer dann nachhakt, wird schnell feststellen, dass der Betroffene die Geldausgaben nicht erklären kann. Schulden sind natürlich ein absolutes Alarmsignal. Vor allem, wenn die Schulden durch Kreditkarten entstehen, ist Vorsicht angeraten. Denn der Kaufsüchtige ist sich gar nicht mehr bewusst, dass er Geld ausgibt, welches er vielleicht gar nicht hat. 60 Prozent der Betroffenen sind Frauen unter 30 Jahren, aber auch Männer und Frauen jenseits dieser Altersgruppe sind betroffen. Vor allem Menschen, deren Leben sich gravierend ändert, können plötzlich in diese Sucht geraten. Der Rentenbeginn oder der Auszug der Kinder sind nur zwei von vielen Gründen.
Die Diagnose und Behandlung von Kaufsucht
Ein Psychologe erkennt recht schnell, ob Kaufsucht vorliegt. Auch Selbsttests im Internet lassen erste Rückschlüsse zu. Wer Fragen nach Entzugserscheinungen, sinnlosen Einkäufen, Lügen und Schulden bejahen muss, sollte sich den Tatsachen stellen. Wenn nicht mehr der Artikel das Handlungsziel ist, sondern einzig und alleine das Kaufen an sich, ist Kaufzwang sehr schnell eindeutig diagnostiziert. Vor allem, wenn Dinge gekauft werden, die der Betroffene selbst gar nicht braucht. Wer also zum Beispiel Autozubehör kauft, aber gar kein Auto hat, unterliegt garantiert der Kaufsucht.
Eine Verhaltenstherapie hilft sehr gut, das Problem in dem Griff zu bekommen. Dabei lernt der Süchtige das Unterbrechen seines Kaufverhaltens und vor allem wieder einzukaufen ohne Kontrollverlust. Außerdem müssen natürlich die Ursachen der Sucht aufgearbeitet werden. Dazu gehört, dass das Selbstwertgefühl gestärkt werden muss. Auch das Lösen und Annehmen von Problemen gehört dazu. Sich selbst zu behaupten und als vollwertige Person zu akzeptieren, ist für viele Kaufsüchtige ein wichtiger Schritt. Negative Gefühle müssen angenommen werden, ohne dass es zum Kaufwunsch kommen darf. Ein weiterer wichtiger Punkt in einer solchen Verhaltenstherapie ist es, dass der Kaufsüchtige wieder lernt, Bargeld bewusst auszugeben.
Redaktion, 10.10.2011